Von der Jagd nach Geschichten. (M)ein Weg zur Ahnenforschung

Ich war etwa 11 Jahre alt.

Wie so ziemlich alle Jungs spielte ich gern Fußball.

Das musste nicht unbedingt auf dem Boltzplatz sein. Meist trat ich einfach den Ball gegen eine kleine Mauer vor dem Küchenfenster meiner Oma.
Da sie häufig irgendetwas in der Küche zu tun hatte, sah sie mir nebenbei beim Spielen zu.

Manchmal sang sie mir dabei Kinderlieder vor.
Und manchmal erzählt sie mir, mit den Armen auf dem Fensterbrett aufgelehnt, von ihrer Kindheit in Sandau (heute Žandov/Tschechien).

Ihr Vater besaß damals in der Stadt eine Gärtnerei. Als Kind musste meine Großmutter häufig ihren Eltern im Geschäft helfen. So blieb ihr, im Gegensatz zu mir, wenig Zeit zum Spielen.
Am Ende des Zweiten Weltkrieges musste sie als Sudetendeutsche gemeinsam mit ihrer Mutter und dem kleineren Bruder ihre Heimat verlassen.

Warum wurden sie vertrieben? Was hatten sie denn getan?

Das Interesse an Geschichten

Ich konnte das, was meine Oma erzählte, damals nicht wirklich verstehen. Aber mein Interesse war geweckt. Ich begann Fragen zu stellen und hörte immer wieder gern die Geschichten aus den alten Zeiten.

Als ich älter wurde bemerkte ich auf einmal die Fotos an der Wand im Wohnzimmer meiner Oma.

Komisch, vorher waren die mir nie aufgefallen

Ich begann mich für alte Dokumente und Bücher meines Vaters zu interessieren. Alte Schränke, Schubladen und Holzkästchen zogen mich magisch an.
Wie alle Jugendlichen liebte ich es Dachböden zu erkunden und „Schätze“ zu finden.
Damals kam mir nicht die Idee, die gefundenen Informationen zu sammeln und aufzuschreiben. Mich reizte vielmehr der Augenblick der Suche und die Geschichten hinter den Funden.

Durch gleichinteressierte Freunde, die Erzählungen von Verwandten und den Geschichtsunterricht in der Schule begann ich zunehmend die Geschichten mehr und mehr zu hinterfragen.

Als ich die Schule beendet hatte, beschloss ich, die Geschichten meiner Oma festzuhalten. Wie genau, wusste ich noch nicht.
Also fuhr ich zu meiner Oma und lies mir ihre Lebensgeschichte noch einmal ganz genau erzählen:
Von ihrer Kindheit in Sandau bei Böhmisch Leipa, von der Gärtnerei ihrer Eltern, von der Vertreibung aus ihrer Heimat und dem darauffolgenden Leben mit meinem Großvater.
Ich machte mir Notizen und plante die Veröffentlichung ihrer Erinnerungen.

Es blieb beim Plan.

Es gab viele andere Dinge, die mich damals interessierten. Somit trat die Beschäftigung mit der Geschichte der eigenen Familie zunächst etwas in den Hintergrund.

Auf der Suche nach der Wahrheit

Angetrieben von der Suche nach Quellen zu historischen Ereignissen und dem Ursprung der erzählten Geschichten begann ich mein Studium in Geschichte und Germanistik.

Ich wollte lernen, wie Geschichte geschrieben wurde.

Hin und wieder fragte ich bei passenden Gelegenheiten meine Verwandten aus. Ich verglich zunehmend die Darstellungen aus den Fachbüchern mit den erlebten Erinnerungen meiner Familie.

Auch mit dem Abschluss meines Studiums blieb mein Interesse an der Arbeit mit Zeitzeugen der jüngeren Vergangenheit groß.

Im Zusammenhang mit meiner Arbeit in Gedenkstätten und Forschungseinrichtungen beschäftigte ich mich allerdings mehr mit den Schicksalswegen von Häftlingen und Kriegsgefangenen. Dabei half ich immer wieder Betroffenen und Angehörigen bei der Suche nach Familienmitgliedern. Ich half beim Lesen von Dokumenten und beim Deuten der Vergangenheit.

Die Rückmeldungen der Familien waren beeindruckend und teilweise sehr emotional.

Ich lernte, dass der Wert einer Information zu einem verlorenen Familienmitglied unschätzbar ist.

Vom Finden der eigenen Identität

Diese Arbeit führte mich vor ein paar Jahren schließlich zurück zur eigenen Familiengeschichte.
Inzwischen hatte meine Schwager viele Informationen zur Familie zusammengesammelt und Dokumente eingescannt.
Ich begann also alle Informationen mit Hilfe einer Software zu erfassen.

Vielleicht hätte ich mit der richtigen Anleitung schon als Jugendlicher den Weg zur Genealogie gefunden.
Damals hatte ein „Stammbaum“ für mich allerdings eher etwas mit der Nazi-Zeit zu tun.
Ich bin einfach nicht auf die Idee gekommen alle Informationen gezielt zusammenzuführen.

Im Familien- und Bekanntenkreis gab es damals, so weit ich mich erinnern kann, keine Ahnenforscher.

Die Beschäftigung mit der eigenen Geschichte stiftet Identität und schafft Orientierung.

Noch zu Beginn meines Studiums, wusste ich die Bedeutung dieser Aussage nicht richtig zu deuten.
Durch die eigene Ahnenforschung und die Forschung für andere Familien ist dies inzwischen für mich zu einem Glaubenssatz geworden.

Als „Archivbegleiter“ steht für mich heute in meiner beruflichen Tätigkeit die Unterstützung anderer Forscher und Geschichtsinteressierter meist im Vordergrund. Mit meinem historischen Wissen, meinen erlernten Fähigkeiten und meiner Erfahrung biete ich Hilfe für Ahnenforschung und damit verbundene Archivrecherchen. Zwischendurch versuche ich immer wieder Zeit für die eigene Familiengeschichte zu finden.

Aus meinem Interesse an Geschichte(n) ist eine Berufung geworden.

Du liebst Geschichten genau wie ich? Oder hat dich eher ein ungewöhnliches Ereignis zur Ahnenforschung gebracht?
Erzähle deine Geschichte in einem eigenen Beitrag. Gern veröffentliche ich deine Geschichte auf meiner Website oder weise auf deine Internetseite hin.

Folgende Beiträge sind im Rahmen der Blogparade u. a. veröffentlicht worden:

Viel Freude beim Schreiben und Forschen!

wünscht Dein persönlicher Archivbegleiter

Lars

P.S.: Die Zusammenfassung zur Blogparade findest du im Artikel: Schlüsselmomente Ahnenforschung. Der Start in ein Abenteuer ohne Ende


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